Xabi Alonso hat Bayer Leverkusen in kurzer Zeit zum Meisterkandidaten geformt. Und er widerlegt eine in Deutschland gängige Lehre, was einen guten Trainer ausmacht.
Von Oliver Fritsch
DassXabi Alonso ein guter Trainer sein muss, merkt man an den Aussagen seinerSpieler. Er lerne in jedem Training neue Details von ihm, schwärmte GranitXhaka neulich. Er finde immer "die richtigen Worte und die richtigen Momente,um zu sensibilisieren für das, was wir gut machen, auch für das, was wir nichtgut machen", sagte Jonathan Tah nach dem 3:2-Sieg im DFB-Pokal gegen den VfBStuttgart am Dienstag. Leverkusen hatte zweimal einen Rückstand aufgeholt undschoss, wie zuvor in Augsburg und Leipzig, kurz vor dem Ende das Siegtor.
Daswaren keine Glückssiege. Beim FC Bayern, dem Gegner am Samstagabend, weiß mandas. Solche Last-minute-Erfolge in Serie gelingen nur den Mannschaften, dieeine Überzeugung in sich tragen. Die Elf von Bayer Leverkusen des aktuellenJahrgangs hat eine. Sie glaubt an sich. Sie glaubt an ihren Trainer.
Xabi Alonso hat Bayer Leverkusen in kurzer Zeit und in seiner ersten komplettenSaison zum Meisterkandidaten geformt. Sein Team ist in allen drei Wettbewerbenungeschlagen und liegt auf Rang eins der Bundesliga. Es ruft so verlässlich guteLeistungen ab, dass mit einem Einbruch nicht zu rechnen ist.
Alonsossportliche Bilanz ist deswegen so sensationell, weil sein Kader zwar zum oberenDrittel der Bundesliga zählt, aber keineswegs zur Spitze. Zahlen belegen es.Leverkusen gibt etwa 80 Millionen Euro pro Jahr für seine Mannschaft aus, inMünchen soll allein Harry Kane 25 Millionen verdienen. Laut DFL-Finanzberichtwies der FC Bayern im Jahr 2022 eine Bilanz von 712 Millionen Euro aus, die vonBayer 04 lag bei gut der Hälfte.
Spanischer Kombinationsfußball
DieSpieler der Bayern haben insgesamt mehr als fünfmal so viele Spiele in derChampions League absolviert (1026 zu 198) wie die von Bayer; Thomas Müller undManuel Neuer haben zusammen in diesem Wettbewerb mehr Erfahrung als der gesamteKader des Konkurrenten. Kein Spieler Leverkusens ist eine Stammkraft in einerder großen Nationalmannschaften der Welt. Wer, außer Florian Wirtz, würde für denFC Bayern auflaufen? Tah, Xhaka? Vielleicht. Für Leverkusen spielt sogar eineLeihgabe aus München, Josip Stanišić. Er konnte sich beim FC Bayern nichtdurchsetzen.
DassBayer Leverkusen eine Trainermannschaft ist, belegt zudem ihr Stil. Er hängtnicht von Einzelspielern ab und ist in jedem Spiel wiederaufrufbar. Manchmalmit etwas Anlauf, wie in den zwei Spielen gegen Stuttgart oder gegen Dortmund,aber die Elf verliert nie ihre Vorgehensweise. Die vielen Abstellungen zumAfrika-Cup in den vergangenen Wochen hat man ihr kaum angemerkt.
Eshandelt sich um spanischen Kombinationsfußball. Seine Kennzeichen:Feinabstimmung beim Passspiel, beim Freilaufen, in der Raumaufteilung, bei denAbständen zwischen den Spielern, die klare Rollen auf dem Platz haben. Undobwohl die Mannschaft grundsätzlich offensiv ausgerichtet ist (Torschnitt 2,6)und den Ball früh erobert, hat sie nur 14 Gegentore in 20 Spielengefangen. Dortmund hat, wie üblich, fast doppelt so viele.
Kicken kann er - Der Fußball-Podcast: Mit dieser Elf muss Deutschland spielen
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Mit der Entscheidung, Kai Havertz in die Abwehr zu stellen, hat Julian Nagelsmann seine Experimentierfreude bewiesen. Seitdem diskutiert die Nation, ob das eine gute Idee war, wo Havertz besser aufgehoben ist und welcher Außenverteidiger wirklich besser ist? Überhaupt gibt es durch die vielen Wechsel in den vergangenen Jahren viele offene Stellen. Selten war es so unklar, wie die deutsche Elf im nächsten Turnier aussehen wird.
In einer Sonderfolge "Kicken können sie" gibt die Sportredaktion von ZEIT ONLINE Gratistipps. Üblicherweise bespricht unser Fußballpodcast jedes Mal ausführlich einen Spieler oder eine Spielerin. Diesmal stellen die beiden Hosts Christian Spiller und Oliver Fritsch ihre deutsche Elf auf – und begründen ihre Auswahl.
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Szenen und Texte, über die wir in der Folge gesprochen haben:
Deutschland braucht Hilfe aus dem Ausland
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